Das Erste Mal One-Stop-Shop – Erfahrungen, Missverständnisse und was noch besser werden muss

Der erste Meldezeitraum für die OSS-Meldung ist zum 31. Oktober 2021 abgelaufen. In Deutschland macht sich derweil erste Ernüchterung über den ersten Meldeturnus breit. Was lief schief? Was muss zukünftig noch besser werden und was hat überhaupt funktioniert? 

David R. Dietsch, Manager Taxdoo RegTech Center

I.           Die Horrorshow des BZSt

Pünktlich zu Halloween, am 31. Oktober 2021, endete die Frist für die erste OSS-Meldung, die für das 3. Quartal 2021 für alle grenzüberschreitenden B2C-Verkäufe (Fernverkäufe) beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingereicht werden muss. Schon jetzt lässt sich eine erste Bilanz über die erstmalige Nutzung des OSS ziehen und die ist – passend zu Halloween – erschreckend. Doch, bevor wir den ersten Meldezeitraum Revue passieren lassen, fassen wir für Euch gerne nochmal die wesentlichen umsatzsteuerlichen Änderungen zusammen, die Onlinehändler seit dem 1. Juli 2021 beachten sollten.

II.        Was gilt umsatzsteuerlich seit dem 1. Juli 2021 für Onlinehändler?

  •   Es gilt eine einheitliche europaweite Umsatzschwelle in Höhe von 10.000 EUR (netto).

o   In die Umsatzschwelle einbezogen werden innergemeinschaftliche Fernverkäufe) (§ 3c Abs. 1 S. 2 und 3 UStG) und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, des Rundfunks und Fernsehens und elektronisch erbrachte Dienstleistungen (§ 3a Abs. 5 S. 2 UStG).

o   an Privatpersonen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind.

  •   Bei Überschreiten der Umsatzschwelle werden die allermeisten Onlinehändler in jedem EU-Land steuerpflichtig, in das sie auch nur ein Paket versenden.
  •   Aus Vereinfachungsgründen können Onlinehändler die notwendigen regelmäßigen Umsatzsteuermeldungen für alle EU-Länder zentral über den OSS des Landes erledigt werden, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. In Deutschland werden die Umsatzsteuermeldungen über das Onlineportal des BZSt eingereicht – Mein BOP.
  •   Durch die Nutzung des OSS entfallen lokale USt-Registrierungen und -Meldungen in anderen EU-Ländern, die eigentlich für grenzüberschreitende B2C-Lieferungen an Endkunden (=Fernverkäufe) notwendig wären.
  •   Die OSS-Meldungen erfolgen quartalsweise und müssen innerhalb von einem Monat nach Ende des Vorquartals eingereicht werden (z.B. das 3. Quartal zum 31.10.).
  •   Auch die Bezahlung der jeweiligen Umsatzsteuern erfolgt zentral über den OSS im Sitzland des Onlinehändlers.

III.         Was muss bei der Nutzung des OSS beachtet werden?

Die Nutzung des OSS ist freiwillig. Wenn Ihr Euch für die Nutzung des OSS entschieden habt, könnt Ihr allerdings nicht all Eure Umsätze dort melden. Daneben sind weitere Besonderheiten bei der Nutzung des OSS zu beachten.

  1.     Welche typischen Umsätze kannst Du als Onlinehändler nicht über den OSS melden?
  •   Nutzt Ihr Lager im Ausland, z.B. im Rahmen von Amazon Pan EU oder CEE, müsst Ihr weiterhin lokale Registrierungen und Meldungen im jeweiligen Lagerland vornehmen.
  •   B2B-Lieferungen werden weiterhin mit lokalen Meldungen im Ursprungsland gemeldet.
  •   B2C-Lieferungen im eigenen Land (Sitzland des Händlers) müssen weiterhin an das lokale Finanzamt gemeldet werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Lieferung aus einem Lager im EU-Ausland erfolgt.
  1.     Was musst Du noch beachten?

Anders als bei den herkömmlichen steuerlichen Abgabeverpflichtungen sind beim OSS die starren Abgabetermine für die jeweiligen Quartale (30. April, 31. Juli, 31. Oktober und 31. Januar des Folgejahres) zu beachten. Konkret bedeutet das, dass sich der Abgabetermin gerade nicht auf den nächsten Werktag verschiebt, falls dieser auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt (Umkehrschluss gem. § 18j Abs. 7 UStG). Dasselbe gilt entsprechend auch für die Zahlung der Umsatzsteuern, die bis zum Abgabetermin auf dem Konto der Bundeskasse eingegangen sein müssen.

Eine letzte Besonderheit betrifft solche Onlinehändler, die sich bereits jetzt für den OSS angemeldet haben, aber erst zukünftig planen, Fernverkäufe zu tätigen. Ihr seid hierbei nicht von der Meldepflicht befreit, d.h. Ihr müsst zumindest sogenannte „Nullmeldungen“ abgeben, damit das BZSt Euch den OSS-Zugang nicht vorsorglich wieder entzieht. Solltet Ihr keine oder zu oft verspätete Meldungen über den OSS tätigen, kann das BZSt Euch ebenfalls den Zugang sperren und Ihr müsst die altbekannten Prozedere vollziehen (Registrierung im Bestimmungsort, dortige Deklaration etc.), um Euren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Darüber hinaus wertet die deutsche Finanzverwaltung die Registrierung zum OSS als Verzicht auf die Anwendung der 10.000-Euro-Umsatzschwelle. Das bedeutet, dass mit einer OSS-Regsitrierung Eure Fernverkäufe auch dann im Bestimmungsland steuerpflichtig sind , wenn Ihr unter der 10.000-Euro-Schwelle bleibt.

IV.    Wie lief der erste Meldezeitraum mittels OSS?

  1.     Alles Handarbeit – vorerst nur manuelle Eingabemöglichkeiten im OSS

Die Implementierung des OSS lief aufseiten des BZSt leider alles andere als reibungslos ab. Zum einen wurden jegliche Vereinfachungen, die der OSS eigentlich leisten sollte, vor allem dadurch zunichtegemacht, dass die Meldung vollständig manuell angefertigt werden musste.

Richtig gelesen! Jeder einzelne Umsatz musste pro Land mit entsprechendem Steuersatz manuell eingetragen werden. Es war also nicht möglich, die OSS-Meldung gesammelt als csv-Dateiupload oder gar vollautomatisch per Schnittstelle hochzuladen, was das BZSt für andere Meldungen normalerweise anbietet. Das BZSt hat auf Taxdoos Nachfrage mitgeteilt, dass technische Spezifikationen für eine automatisierte Meldung über den OSS voraussichtlich erst Ende November 2021 für die Meldung für das 4. Quartal zur Verfügung stehen werden.

  1.     „Nicht plausibel“ – Fehlermeldung

Hatte man dennoch das nötige Durchhaltevermögen und die Geduld, die einzelnen Transaktionen einzutragen, „bedankte“ sich das BZSt bei vielen Steuerpflichtigen nach erfolgreicher Übermittlung der Meldung oftmals mit einer Fehlermeldung, dass die übermittelte Meldung „nicht plausibel“ sei und daher „nicht abschließend verarbeitet werden“ konnte.

Das BZSt hat auf Anfrage von Taxdoo mitgeteilt, dass für einige Fehlermeldungen (siehe unten: OSS Fehlercode #2 und #3) keine neuen Meldungen von Euch abgegeben werden müssen. Eure Meldungen seien trotzdem im System des BZSt eingespielt. Laut BZSt erfolgt  im Portal “Mein BOP” hierzu auch eine Statusmeldung, dass die Meldung durchgegangen ist, sobald der technische Fehler seitens des BZSt behoben wurde. Da das BZSt weiterhin mit der Behebung der zahlreichen technischen Fehler beschäftigt ist, halten wir Euch hierzu auf dem Laufenden: Was Ihr wann und wie zu tun habt. 

 

  1.     Erfassung und Abbildung ausländischer Lager

Des Weiteren traten Probleme bei der OSS-Meldung bei Angaben zu Fernverkäufen aus ausländischen Lagern auf. Nach unserem aktuellem Informationsstand tritt eine solche Fehlermeldung immer dann auf, wenn Ihr ausländische Warenlager, zum Beispiel im Rahmen des Amazon FBA Programms, nutzt und somit auch Lieferungen aus dem EU-Ausland tätigt und entsprechende Umsätze in der OSS-Meldung angegeben habt.

Solche Lager (Amazon-Lager bzw. Fulfillment-Center) musstet Ihr laut BZSt seinerzeit bei der OSS-Registrierung angeben als “andere Einrichtungen zur Lieferung von Waren”, auch wenn Euch diese Warenlager eigentlich nicht explizit zuzurechnen sind. Allerdings haben Onlinehändler ausgerechnet eine Fehlermeldung (OSS Fehlercode #1:) erhalten, dass sie keine Fernverkäufe über solche Lager melden können, weil diese Lager ihnen nicht zugerechnet werden können. Insofern wurden solche Lagerstrukturen seitens des BZSt falsch verknüpft, traten nach unseren Recherchen noch weitere technische Probleme beim BZSt auf, die bei Euch zu den nachstehenden Fehlermeldungen führten. Ärgerlich war vor allem, dass das BZSt Dienstleistungen (sonstige Leistungen) annahm, obwohl Ihr eigentlich keine solchen erbracht habt.

  •   OSS Fehlercode #2: Erklärung von Dienstleistungen von im Ausland gelegenen Einrichtungen, die für Euch eigentlich keine festen Niederlassungen darstellen
  •   OSS Fehlercode #3: Erklärung von Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat, in denen eine „feste Niederlassung“ vorliegt, obwohl es sich um Fernverkäufe handelt

 

Wie sich diese Fehler konkret zusammensetzen, könnt Ihr ausführlich auf dem Taxdoo Blog nachlesen.

V.     Fazit – BZSt: Süßes oder Saures? Saures!

Um im Halloween-Sprech zu bleiben, gab es vor allem Saures seitens des BZSt. Die fehlerbehaftete Implementierung des OSS in Deutschland zeigt augenscheinlich, dass, gerade im Vergleich mit anderen EU-Staaten, hier einiges nicht reibungslos gelaufen ist.

Anstatt vorab eine Testumgebung zu schaffen und ein Testfile anzubieten, fand die „Testphase“ stattdessen auf Kosten der Steuerpflichtigen statt. Ferner ließ auch die sonstige Kommunikation seitens des BZSt zu wünschen übrig. So erhielt Taxdoo erst auf mehrmaliges Nachfragen am Telefon Aussagen zu den oben genannten Fehlern (von der überlasteten Telefonleitung des BZSt fangen wir gar nicht erst an…). Ein Ticketmanagement oder eine sonstige anwenderfreundliche Anlaufstelle werdet Ihr wohl auch noch in Zukunft vergeblich suchen.

Zwar äußerte sich das BZSt dann doch noch teilweise zu den Fehlern und Bugs, allerdings erst am vorletzten Werktag vor dem ersten Abgabetermin am 31. Oktober 2021. Bis dahin wurden die Steuerpflichtigen alleine gelassen mit Frankensteins Monster. Ein zeitnahes Krisenmanagement sieht anders aus.

Der erste Durchlauf des OSS zeigt vor allem eines: Die deutsche Finanzverwaltung ist noch weit davon entfernt, eine moderne digitale Finanzverwaltung zu sein. Insofern sind leider auch die Hände von (digitalen) Dienstleistern gebunden, wenn es bereits an der grundlegenden Infrastruktur seitens der Finanzverwaltung fehlt. Daher kann man leider nur erschreckend feststellen, dass die Digitalisierung gegenwärtig dort endet, wo die Finanzverwaltung anfängt.

 

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